Benutz doch Pink!

Luise

Die Luft ist warm und feucht. Meine Haare haben jede Form verloren und ich schwitze. Die Hände und Nägel sind blau und rau. Immer wieder wische ich mir über die Stirn, schalte das Licht an und aus, bügle trocken und tauche den Stoff in den nächsten Sud.

Ich stehe in meiner improvisierten Färbeküche.

Den Hobby-/Werkstatt-/Party-/Lagerraum in meinem Elternhaus habe ich mit schwarzen Müllsäcken verkleidet und den Boden mit Folie ausgelegt. Nichts darf nach meinem Verschwinden darauf hinweisen, dass ich hier gewesen bin und schon gar kein bunter Fleck Textilfarbe. Es ist so warm in dem kleinen Raum und ich bin dankbar dafür, denn draußen sind minus zwanzig Grad. Das Bügelbrett, völlig durchnässt, biegt sich schon durch. Plötzlich geht die Türe auf. Mit finsterer Miene blicke ich vom dampfenden Färbetopf hoch. Wer stört denn jetzt wieder meine Kreise?

Essen, Schlafen, Hund und Klo. – Das sind die einzigen Gründe, warum ich diesen Raum verlasse.

Und ich genieße das!

 

Aber bis ich wirklich so weit war und mich dem Farbenrausch so richtig hingeben konnte, verging einige Zeit.

Wenn sich Südamerika, respektive Peru in einer Sache zum europäischen Standard unterscheidet, dann ist es die Farbgebung und Farbwahrnehmung. Das war schließlich auch einer der Beweggründe gerade dort hinzufliegen. Es ist nicht schwer eine Affinität für die klaren, satten Farben der Peruaner zu entwickeln.  Auf ihrer dunklen Haut und mit ihren schwarzen, dicken Zöpfen wirken die Andenfrauen beinahe unecht illustriert. Die einheimischen Pflanzen machen es möglich derart strahlende Farben zu erzeugen. (Obwohl ich mir uneins bin, wieviel Pigment auf pflanzlicher Basis heutzutage tatsächlich noch verwendet wird.) Es waren zunächst Gedankenspiele, die mich hier als Textiler beschäftig haben, hatte ich doch mein Filmprojekt auf das ich mich konzentrieren sollte. Es war kein textiles Projekt geplant…

 

Im Bänderladen war es schließlich um mich geschehen: Bis zur Decke war der kleine, enge Raum mit Regalen voller bunter Konen bespickt. Mit leicht genervten Blick, aber mit süffisantem Grinsen, räumt der junge Verkäufer die Konen auf die Theke und ich suche heraus. Und das sollte nicht der letzte Laden gewesen sein…

Um Platz für den Rückflug zu sparen, nähte ich die Bänder alle auf meinen Hut… eine clevere Idee, die so bescheuert aussah, dass es nicht mal ein Foto davon gibt. Zum Glück habe ich die vierundzwanzig Bänder wieder abgemacht. Am Flughafen wurde ich schon einem Drogentest unterzogen, wer weiß, was sie gemacht hätten, hätte ich mit diesem kiloschweren Kopfzylinder das Flugzeug besteigen wollen… vermutlich hätte man mich dann einfach dortbehalten.

 

Die gewebten Bänder waren sorgfältig ausgewählt. Jede Farbstimmung sollte mindestens einmal vertreten sein. Ich beschloss nicht nur nach Gefallen zu entscheiden, sondern das volle Farbspektrum auszunutzen… man ist schließlich nur einmal in Peru.

Bei der Analyse wieder in Deutschland fiel mir eins ganz deutlich auf (und nicht nur mir): Die Farben, zehntausend Meter entfernt – fröhlich, stark und schön – wirken hier im tristen Westen überzogen, naiv und kitschig.

 

Da wurde mir klar. Ich möchte einen Weg gestalten. Einen Weg aus Bändern. Ich brauche keine Worte dafür, nicht wie im Tagebuch oder im Film. Ich möchte nur die Farben sprechen lassen. Farben, die ich in Peru für mich entdeckte und die sich dann langsam mit meinen Farben vermischen. Zum Schluss entstehen Bänder, raumfüllend – knapp drei Meter hoch, die meine Farben zeigen… meine neuen Farben… das neue Selbst nach dieser Reise.

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