18.09. - Mein Mentor

Luise

 

18. 09. 2017

 

„Luise, ich will zu Nasca-Linien!“, lautet Hedas Ausruf! Magda, Fabi und Swantje widmen sich beflissen ihren Skizzenbüchern, aber ich hab´ schon wieder Hummeln im Hintern. Voll motiviert starten Heda und ich zu zweit. Unser Ziel ist klar. Die Nasca-Wüste, aber ohne den üblichen Touriquatsch! Es stellt sich heraus: Das ist gar nicht so einfach. Was sich noch herausstellt: Hier spricht niemand Englisch. Genau genommen suchen wir nur einen Bus, der uns zum Aussichtsturm der Nazca-Linien bringt. Wir klappern verschiedene Reisebüros ab. Mit Händen und Füßen, auf Englisch, Deutsch, Tschechisch, Bulgarisch und den etwas Spanisch verlaufen unsere Gespräche immer gleich:

 

Nein, wir möchten keinen Rundflug über die Nazca-Linien.

 

Nein, wir möchten keinen Rundflug.

 

Wir möchten zum Aussichtsturm.

 

Nein, wir möchten keine durchgeplante, Allround-Tagestour.

 

Nein, wir möchten keinen Rundflug.

 

Wir möchten mit dem normalen Bus fahren.

 

Nein, wir wollen kein Touristenpaket.

 

Wir möchten mit dem Bus fahren, mit dem auch die Einheimischen fahren.

 

Ab da endet die gestenreiche Konversation immer. Ist auch verständlich, schließlich verdienen die Leute dann auch nichts mehr an uns. Irgendwann finden wir aber eine nette junge Frau, die mit unserem Kauderwelsch konform geht und uns ein Busunternehmen empfehlen kann. Sie erklärt uns wo wir hinmüssen und wir brechen auf. Nach einer kleinen Odyssee finden wir auch das Busunternehmen. Groß und fett prankt der Schriftzug „Soyus“ als Aufkleber an den Bussen. Am Schalter geht der Tanz wieder von vorn los.

 

Wir wollen zu den Nazca-Linien. Zum Aussichtspunkt? Morgen früh. Zu zweit. Zu den Linien. Morgen früh. Aussichtspunkt? Zwei Personen?... Ich weiß nicht mehr wie, auf jeden Fall schaffen wir es zwei Tickets für die Busfahrt zu erstehen. – Für ganze drei Sol… nichts im Vergleich zu den 60 Sol im Reisebüro. Wir verlassen das Terminal. Heda schüttelt mit einem Blick auf die parkenden Busse nur mit dem Kopf.

 

„Nach zwanzig Jahre Demokratie und ich fahr mit Soyus…“

 

Wir wandeln auf dem Weg zum Archäologiemuseum durch die sandigen Straßen. Überall gibt es kleine Märkte, ausgetrocknete Brunnen und einen fotoaffinen, älteren Herrn. Erst beobachtet er mich beim Filmen. Ich lächle ihn an. Er grinst zahnlos zurück und fragt mich wo ich her komme. (So viel verstehe ich noch.) Alemania, sag ich.

 

„ALEMANIA!“, wiederholt er und hebt freudig die Arme. Dann deutet er auf die Kamera, dann auf sich.

 

„Ich soll Sie filmen?“, frag ich auf Englisch. Verstehen tut er mich nicht, ist aber auch egal.

 

Ich drücke auf dem Aufnahmeknopf und warte. Es passiert nichts, der gute Mann bewegt sich keinen Zentimeter.

 

„Do you wanna say something?“ – Keine Wirkliche Reaktion.

 

“Greetings to Alemania… something?”

 

“Alemania.”, wiederholt er.

 

Ich beende die Aufnahme.

 

„Gracias!“, sage ich noch und weiß jetzt nicht, was ich tun soll. Ich finde es unhöflich mich jetzt einfach umzudrehen und weiterzugehen. Ich laufe also rückwärts, lächelnd nickend weiter zu Heda, die ich schon die ganze Zeit kichern höre. Der kleine Peruaner steht immer noch dort als hätte ihn die Kamera jetzt für immer an diesen Platz gebannt. Ich winke ihm zum Abschied zu. Vielleicht war er das: Mein Seelenführer, mein Guru, der mich auf all das vorbereitet, was mich im Leben noch erwartet. Ich schaue zu Heda, die gerade das Museum entdeckt hat und aufgeregt Richtung geradeaus fuchtelt. Mhm… nee, ich habe doch schon meine mystische Mentorin an meiner Seite.

 

Das Museo Didactico Antonini präsentiert sich erstmal durch eine große, weiße Mauer mit dunkelrotem Sockel, direkt gegenüber der Choleraimpfstelle für Schweine.

 

Das Museum ist klein. Am Eingang erhalten wir von einem mürrischen Ticketverkäufer zusätzlich noch einen schmierigen Hefter mit englischen Übersetzungen. Es wird die ganze Bandbreite der peruanischen Archäologie aufgezogen. Keramik, Textilien und Mumien. Von der NAZCA-Ausstellung in Lima angefixt, liegt mein Augenmerk wieder auf den morbidesten Präparaten. Mumifizierte Schädel, aus deren Stirn ein Strick hängt. Mit verstochenem Mund und geschlitzter Haut, ziehen mich diese Trophäen längsvergangener Zeit genauso sehr an, wie sie mich abstoßen. Heda lacht wieder über meine Faszination.

 

„Was denn?!“, meckere ich nur beleidigt. „Da ist auch Textil dran.“

 

 

 

 

Bleibt gespannt. Wir sind es auch.

Herzlichst

Luise

 

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