10.09. - Urwaldzauber III

Luise

Neben all dem Wasserspaß freuen wir uns auch auf ein besonderes Highlight: Die Nachtwanderung klingt wie nichts anderes nach Abenteuer. Nach einer Kürbissuppe, dem Hauptgang bestehend aus Reis, Kartoffeln und Gemüse. (Ja, aufgepasst liebe Low-Carb Freunde. Hier wird Sättigungsbeilage mit Sättigungsbeilage kombiniert. SPOILER: Keiner erlitt einen plötzlichen Herzkasper oder entwickelte Typ 2 Diabetes. Einzig das deutsch-deutsche Denken lässt uns José von der Ungewöhnlichkeit berichten. Reis mit Kartoffeln... also wirklich.) Der Schokopudding besänftigt die verwirrten Gemüter sogleich und nach einer neuen Schicht Anti-Mückenspray (inzwischen ist die Abwehraura schon als leuchtende Umrahmung erkennbar), geht es in den Wald.

Die Taschenlampen im Anschlag leuchten wir umher. Überall hin nur nicht auf den Weg. Gummistiefel stoßen gegen Wurzeln. Wir bewegen uns tapsig über den Weg, aber der unglaubliche Geräuschpegel übertönt unsere Sturzversuche. Die Grillen machen mehr Krach, als das Gehörlosenorchester Untertegenau zu Testzwecken der Schalldämmung im Hallenbad. Und das wundert auch nicht: Grashüpfer, Grillen, Zikaden in allen Farben und Formen sitzen unter jedem Blatt. Mit feucht glänzenden Augen schauen sie mich an. Ich schau ins dichte Dunkel und fühle mich unangenehm beobachtet. José erzählt uns viel Interessantes über jeden Krabbelkäfer. Wir entdecken sogar einen Giftpfeilfrosch. Die Verwendung des Hautsekrets dieser bunten Amphibien erklärt sich aus der Namensgebung. An einer Weggabelung hält der Guide uns zurück, sucht sich einen Stock und stochert damit in einem kleinen Erdloch herum. "Tarantula", meint er bloß. Wir warten gespannt. Dann wackelt der Stab und José zieht vorsichtig. Eine handgroße, behaarte, schwarze Spinne kommt zum Vorschein. Verbissen in den vermeintlichen Eindringling wirkt sie im Taschenlampenlicht wie erstarrt.

José ist enttäuscht: "Nur ein Männchen. Die Weibchen sind größer." Wir entdecken eine Gottesanbeterin.

"Weiß jemand, warum das Weibchen das Männchen umbringt?", fragt José mit der das-kommt-morgen-alles-im-Test-dran-Miene. Wir schütteln die Köpfe. Die Antwort ist verblüffend und logisch zugleich: Ohne Kopf dauert die Kopulation statt zwei Stunden ganze zehn Stunden. Die Chance auf Nachwuchs wird also quasi verfünffacht. Es folgen anzügliche Witze aus der Frauenfraktion. Kurz bevor wir die Lodge erreichen, hält uns José wieder an. An einem Baumstamm direkt über dem Boden sitzt ein riesiges Vieh. Die "Scorpionspider" wirkt wie eine dürre Krabbe, so lang wie mein Unterarm. "Die ist ungefährlich.", sagt der Guide. Wir treten nah heran und José zupft ihr an einem Hinterbein. Dann plötzlich schreit er auf. Wir schreien mit und befinden uns innerhalb einer halben Sekunde in zwei Metern Entfernung. Taschenlampen leuchten panisch umher. Dann hören wir ein Lachen. Wie ein kleiner Kobold Kichert José, der Blödmann!

Den Schreck noch in den Knochen, fällt es uns schwer Ruhe zu finden.

 

Wann war man eigentlich das letzte mal mit einer solch neugierigen Aufmerksamkeit in den einheimischen Wäldern unterwegs? Ich weiß es nicht mehr...

 

Fortsetzung folgt