28.08. - Ana Teresa Barboza... Stickerei 2.0

Luise

Der Tag beginnt wie immer mit einem Hupkonzert. Heute geht es am Nachmittag zur Stickkünstlerin Ana Teresa Barboza. Vor dem Frühstück wollen Magda und ich nochmal schnell einkaufen gehen. Brötchen holen und so... Wir kennen ja den Weg... ist klar.

„Wir müssen hier jetzt rein.... das sieht richtig aus... Solang wir die große Straße im Blick haben, sind wir richtig... Wo ist die große Straße?“

So geschieht es, dass wir zwei schon vor dem Morgenmahl die vier-Kilometer-Marke geknackt haben...

 

Nach dem Frühstück werden wir von unseren Fenstern aus Zeuge einer riesigen Demo. Alle Autos stehen still. Vor unserer Abfahrt ist der Menschenzug allerdings schon wieder vorbei. Wir nehmen also ein Taxi. Diesmal weiß der Taxifahrer sogar selber, wo er hin muss. Die Sonne scheint. Im Radio läuft Hotel California und ein Duftbaum in Form einer lachenden Erdbeere hängt am Rückspiegel. Wie wir so gequetscht auf der Rückbank sitzen, ergreift uns ein Gefühl von Unabhängigkeit.

Fünf Frauen... allein in Peru... mit Hoffnungen und Träumen... Wo kommen sie her?... Wo wollen sie hin?... Oh, ein Müllmann... Wo kommt er her?... Wo will er hin?... Reiseromantik pur. Der Taxifahrer stellt die Musik lauter. Offenbar geht ihm unser Geschnatter auf den Geist.

Wir kommen in Barranco an. Die kubischen Häuser des Künstlerviertels erstrahlen in bunten Farben. Entzückt schauen wir die verschachtelten Gassen auf und ab. An einem Auto geht die Alarmanlage los und als wir den Block umrunden, sitzt ein Mann in jenem Auto der hektisch nach dem richtigen Knopf sucht. Im Hauseingang steht eine ältere Dame. Die Hände in die Hüfte gestemmt, fixiert sie den unfähigen Autobesitzer mit ihrem Todesblick. An einer Kirche geht ein Mönch mit Krückstock spazieren. Die Frau neben ihm beschimpft mich auf spanisch und gestikuliert wild auf meine Kamera. In ihrer Erregung ist ihr wohl der Deckel auf der Linse gar nicht aufgefallen. Was die wohl zu beichten hat?

Die Adresse die wir suchen, ist schnell gefunden. Das Atelier, dass sich Ana Teresa Barboza mit anderen Künstlern teilt, erstrahlt in einem prächtigen Lila. Über die Textilkünstlerin hatte Magda schon einmal berichtet. Wer also nochmal nachlesen möchte. 

 

Schon während der Vorbereitung auf das Interview sind wir alle aufgeregt. Magda notiert alle Fragen auf Spanisch – Sie wird das Interview führen und für uns übersetzten. Der erste repräsentative Auftritt der buntesgold-Gruppe. Das baut schon etwas Druck auf. Und als wir dann die Straße auf das Haus zu gehen, werden ihrer Schritte immer langsamer. Ich schiebe Magda also sanft weiter. Wir klingeln und Frau Barboza öffnet uns das Gatter: Eine kleine, zarte Frau mit großen, dunklen Augen und Kurzhaarfrisur.

„Oh, viele Mädels!“, meint sie und lächelt schüchtern, als sich jede von uns mit einem Händeschütteln vorstellt und an ihr vorbei ins Haus stapft. Beide Seiten sind leicht nervös, lächeln aber in die Runde. Frau Barboza schickt uns weiter durch ein Atrium mit einer Kükenförmigen Kinderreitschule und baumelnder Girlande. Christian, ein Künstlerkollege mit langem Haar und Basecap begrüßt uns freundlich. Ein schwarzer Hund schnüffelt an den Beinen der fünf ehrfürchtig dreinschauenden Textilerinnen. Hinter einer hohen Holztür verbirgt sich Frau Barbozas Atelierraum. Die Wände sind bestückt mit Skizzen von Köpfen, Piktogrammen von Steinen und Regalen mit Garnen und anderen tollen Materialien. Auf ihrem Arbeitstisch liegt ein Webrahmen und ein riesiger Stein... aus dem Fäden wachsen?! Eine ihrer neuesten Arbeiten. Im September hat sie eine Ausstellungseröffnung in Lima. Da müssen wir vor unserer Abreise unbedingt nochmal vorbeischauen! Das Gespräch gestaltet sich als äußerst entspannt. Eine Mischung aus Spanisch, Englisch und vielen freundlichen Blicken. Die Fragen zu ihren Arbeiten beantwortet sie mit sympathischer Bescheidenheit. Sie versteht selbst gar nicht, warum ihre Werke so viral durch die Decke gehen. Auch die typische Frage nach der Inspiration beantwortet sie galant und ganz natürlich: Inspiration kommt von überall her!

Das ganze Interview werdet ihr dann im Film sehen... ich will ja noch nicht zu viel vorwegnehmen...

Frau Barboza zeigt uns noch einige ihrer Arbeiten und wir staunen nicht schlecht. Ihre Ideen sind sehr einfallsreich und auch für ein breites Publikum nachvollziehbar. Die Stickerei ist im Moment ihr präferiertes Medium, allerdings widmet sich die studierte Malerin auch anderen Techniken, zum Beispiel der Fotografie. Man spürt wie frei diese Frau in ihrem Denken und Tun ist.

Frau Barboza indes ist genauso an unserem Aufenthalt hier interessiert und befragt uns zu unserem Projekt. Zum Schluss bittet Heda sie, noch etwas auf ihr textiles Tagebuch zu zeichnen. Es ist ein Wickelrock, der sich über die Reise hinweg mit Zeichnungen und Stickereien füllen soll. (Diesen Rock könnt ihr dann auch in unserer Ausstellung bewundern.) Frau Barboza beginnt mit scheuem Blick ein paar Blätter darauf zu zeichnen. Kaum ist sie fertig, faltet sie den Stoff schnell zusammen. Da haben wir es wieder, große Künstler machen kein Aufhebens um sich...

Mit viel Filmmaterial und einigen Empfehlungen was unseren Aufenthalt betrifft, verabschieden wir uns.

Jetzt wirkt dieses lila Haus noch bemerkenswerter, weil wir wissen, was darin steckt...

 

Unsere Rückreise gestaltet sich wieder mal leicht abenteuerlich. Ein Hoch auf Fabis Navigationsapp! Ohne die wären wir noch mit dem Taxi von vorgestern unterwegs. Auf der Suche nach unserer Unterkunft... Auch dieses Mal braucht unser schnurrbärtiger Fahrer Navigationshilfe.

Wer unsere InstagramStory verfolgt weiß, dass wir den Abend singend verbracht haben. - Erleichtert, dass der erste Meilenstein unser Reise geschafft ist.

 

Bleibt weiterhin gespannt. Wir sind es auch.

Herzlichst

 

Luise